Das Tor zur Hölle bleibt uns verwehrt. Der brennende Krater von Derweze entstand 1971 durch sowjetische Geologen, die Probebohrungen durchführten, um an Gas zu kommen. Da war Gas. Unmengen von Gas und das Tor zur Hölle öffnete sich. Sechzig Meter lang und zwanzig Meter tief ist der Krater und spukt auch vier Jahrzehnte später noch endlos Flammen in den Himmel. Dieses und noch weitere Spektakel in Turkmenistan blieben uns jedoch leider verwehrt.
Es gibt Hauptstädte, die klingen wie Sehnsuchtsorte. Und dann gibt es Aschgabat in Turkmenistan. Wer beides noch nie gehört hat, ist in bester Gesellschaft. Dank dem Reichtum durch Öl und Gas reihen sich hier marmorne Bauten aneinander. Der weisse Marmor ist überall. Die Strassen teils achtspurig. Autos sieht man offenbar nur vereinzelt. Gerne hätten wir das alles mit eigenen Augen gesehen. Aber es kam anders.
Das Land ist ähnlich abgeriegelt wie Nordkorea und wer auf eigene Faust und mit eigenem Auto einreisen will, hat maximal fünf Tage Zeit. So lange ist das Transitvisa durch diese Diktatur gültig. Die Ein- und Ausreisedaten sowie die exakten Grenzübergänge müssen bei Visumsantrag bereits angemeldet werden.
Willkommen in einem der abgeschotteten Länder der Welt.
Oder eben nicht. Denn trotz positiven Signalen aus der Turkmenischen Botschaft in Genf, wurde unser Visumsantrag ohne Begründung abgelehnt. Für uns musste also ein Alternativplan her. Und da gab es drei Möglichkeiten.
Variante 1: Wir fahren an die pakistanische Grenze und lassen uns durch Baluchistan eskortieren. Viele Reisende, die wir im Iran getroffen haben, wählten diese Route. Will man aber nicht weiter nach Indien, China oder Südostasien, dann macht diese Strecke wenig Sinn.
Variante 2: Rauf nach Aserbaidschan und von Baku aus mit der Fähre übers Kaspische Meer nach Kasachstan. Dies wäre eigentlich eine Abkürzung. Allerdings nur, wenn die Fähre auch fährt. Das tut sie manchmal, manchmal auch nicht und es gab Reisende, die mussten bis zu zwei Wochen im Hafen warten. Bleibt Variante 3: Über Aserbaidschan weiter in die Republik Dagestan bis ans Wolgadelta und ums Kaspische Meer herum bis nach Kasachstan.
Gesagt getan und bereits am ersten Tag in Dagestan gingen wir mit einer Gruppe korrupter Polizisten auf Tuchfühlung. Pinkeln am Strassenrand (auf einer einsamen Landstrasse und hinter dem eigenen Auto notabene) sei in Russland strengstens verboten - basierend auf dem Gesetz des Hooliganismus - und werde mit entweder 15 Tagen Gefängnis oder einer Geldbusse geahndet. Nach langen Diskussionen und dem Eingeständnis der Polizisten, dass es sich hier im Korruption handle, und man kurz mal 400 US-Dollar rüberschieben könne, um das Problem zu lösen, wurde uns die Sache zu bunt. Ein Fake-Anruf an “die Botschaft” hat die Situation beschleunigt. Ohne jegliche Kosten oder Konsequenzen haben wir uns freundlich mit Handschlag und einem Lächeln verabschiedet. Das war unsere erste Erfahrung mit Korruption. Und es blieb dabei.
Im Vorfeld hatten wir viel gehört über korrupte Beamte. Zum Beispiel würden bei Strassenkontrollen die Originaldokumente nur gegen einen entsprechenden Batzen wieder zurückgegeben. Konsequenterweise haben wir unterwegs bei Strassenkontrollen nur Kopien vorgelegt - sowohl von unseren Pässen wie auch vom Fahrzeugausweis. Bis auf einen einzigen Polizisten in der Mongolei wurde dieses Vorgehen nie beanstandet und oftmals gar mit einem neckischen Grinsen quittiert. Das Ergebnis: kein einziges Mal Schmiergeld. Dass dies an offiziellen Grenzen natürlich nicht geht, ist selbsterklärend. Aber auch hier: kein einziger Korruptionsversuch an allen 24 Grenzübertritten.
Aufs Kaspische Meer waren wir nicht wirklich eingestellt. Doch es hat sich gelohnt. Das Kaspische Meer ist das grösste Binnengewässer der Erde und dient auch als Puffer für die angrenzenden Staaten mit unterschiedlicher Politik und Ideologien. Dass es reich an Erdöl und Erdgas ist und rechtlich weder See noch Meer ist, vereinfacht die Situation in dieser Region nicht. Während wir im an der Iranischen Küste ganz im Süden eine fast schon tropische Landschaft hinter uns lassen, treffen wir im Norden des Kaspischen Meeres auf das saftig grüne Wolgadelta und weiter östlich auf die endlose Kasachensteppe.
Je tiefer rein in die Steppe, desto auffälliger werden die vielen muslimischen Friedhöfe mit ihren grossen prunkvollen Gräbern. Es sind Gräber und Mausoleen weitab von Dörfern und Städten, zu denen die Kasachen pilgern, um ihre Ahnen zu huldigen. Für uns bieten sie perfekte Übernachtungsplätze, fegt doch der Wind nachts oftmals gnadenlos über die Steppe. Hier erhalten wir einen ersten Vorgeschmack auf staubtrockene Landschaften, die Flach wie Bretter sind.
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