Tiefblaue Seen im Hochgebirge, Jurten aneinander gereiht wie Perlenketten, wilde Pferdeherden und saftgrüne Sommerweiden soweit das Auge reicht. Und: jede Menge fermentierter und vergorener Stutenmilch (Kymyz). Willkommen im "Land der Kirgisen"!
Der Blick in den Rückspiegel ist atemberaubend. Wir lassen eine kilometerlange weisse Gebirgswand hinter uns. Die schneebedeckten Gipfel des Pamir bilden die Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgistan. Vor uns liegen endlose Weiten.
Das kleine Land Kirgisistan oder Kirgistan oder Kirgisien (alles ist korrekt) beheimatet ein grundsätzlich freundliches, freiheitsliebendes und traditionell geprägtes Volk. Zweimal hat das Land korrupte Präsidenten zur Abdankung gezwungen - einmalig in dieser postsowjetischen Region. Weit weg von jeglicher Modernisierung bekennen sich die Einheimischen wo immer möglich zu ihren Traditionen. Das heisst auch: es herrscht das Patriachat, Schafskopfaugen werden zum Frühstück serviert und noch immer werden Frauen geraubt. Immer noch sind zahlreiche Familien mit dem Nomadenleben verbunden und ziehen mit ihren Herden und Jurten über die Sommerweiden. An den wöchentlichen Viehmärkten werden hunderte Schafe, Kühe und natürlich Pferde Feil geboten.
Pferde sind das Fortbewegungsmittel schlechthin in Kirgistan. Es heisst: “Warum zu Fuss gehen, wenn man auch reiten kann?” Selbsterklärend, dass wir unsere 130 PS stehen lassen und richtige Pferde satteln. Für vier Tage reiten wir über die kirgisischen Berge zum Songköl, einem glasklaren Bergsee auf 3000müM. Die Vegetationsphase ist kurz in dieser Gegend. In den meisten Monaten des Jahres bedecken Schneemassen die sonst schon karge Vegetation. Hier steht kein Baum, kein Strauch, nur Gras und Kräuter für die Schaf- und Pferdeherden. Möwen und Seeschwalben drehen ihre Runden auf dem Weg in den wärmeren Süden. Wir traben von Jurte zu Jurte und lassen uns auf alle gastronomischen Abenteuer ein. Fermentierte und vergorene Stutenmilch ist nicht jedermanns Sache. Sie sieht zwar aus wie Milch, schmeckt aber säuerlich und ein bisschen nach Cidre. Das frisch geschlachtete Schaf passt wunderbar dazu.
Es ist August und die Temperaturen am Songköl fallen in der Nacht bereits wieder unter Null. Der Morgen ist weiss. Es heisst: Den Sommer in Kirgistan erkennt man daran, dass der Schnee nicht liegen bleibt. Wir sind zuversichtlich. Und es ist Sommer. Schon Stunden später ist der Himmel blau, der Schnee von gestern.
Weiter geht’s über den Tosor Pass und Fidel ist wieder ganz in seinem Element. Das neue Fahrwerk – installiert in Bischkek – macht richtig Freude und die anspruchsvolle Strecke über die Berge wird zum Kinderspiel. Am sagenumwobenen Yssyköl, nach dem Titicacasee der zweitgrösste Gebirgssee der Welt erwartet uns ein Traumstrand. Hier herrscht Mittelmeerklima und der See friert dank seiner Tiefe selbst bei winterlichen -20° nicht zu. Bei den Kirgisen kursieren zahlreiche Legenden was die Entstehung des Sees angeht. Umgeben vom schroffen Hochgebirge des Tien Shan spülen die Wellen des Sees offenbar immer wieder seltsamerweise Gegenstände aus Hausrat an die Strände und manchmal würden Fischer aus dem Seegrund Kochkessel aus Bronze hervor holen. Offenbar sollen bei ruhiger See gar Umrisse von versunkenen Städten zu sehen sein. Wir sehen nur Wasser und denken: In Kirgistan lebt die Legende und regiert die Tradition.
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